Artigas 2014 – ein Reisebericht

Von Barcelona nach Süden an der Küste entlang und dann nach ca. 100 km nach Westen in die Berge. Die heiligen Berge, die Serra de Montsant vor Augen, weiter. Eine dünnbesiedelte Landschaft, gottlose Gegend kommt mir in den Sinn. Nein nicht gottlos. Im Priorat ließen sich auf Befehl des Königs im 12. Jahrhundert Mönche ließen. Prior der Oberste einer Gemeinschaft. Priorat. Ich kenne nur eine Kellerei dort Scala Dei, die Treppe zu Gott. Ich fahre immer weiter, immer höher, „mas alta“ wie die Spanier sagen, und genau dort will ich hin zur Bodega Mas Alta. Kurz vor dem Ort La Vilella Alta liegt es links vor mir. Etwas zurückgesetzt, mit großem Vorplatz. Feudal, menschenleer.

Das Priorat. 9 Dörfer in 6 Tälern, weniger als 3.000 Einwohner, wild zerklüftete Berglandschaft mit steilen Schluchten, kleinen Terrassen mit Rebstöcken bepflanzt und malerische alten Dörfern mit engen Gassen. Nicht gerade eine Trendregion, abgelegen. Aber mit langer Weintradition, ausgehend von den Mönchen bis heute. Mitte der 1980iger Jahre war der Weinanbau antiquiert, die Kellertechnik angestaubt. Die Weine schwer, alkohollastig, dumpf. Nichts für Genießer, eher Weine zum Kochen. Aber sie wurden auch getrunken, verkauft häufig in Fässern. Die Böden aus Quarz und verwittertem Schiefer, der hier Licorella genannt wird. Steillagen und Böschungen, die hier Costers heißen. Uralte Reben. Garnacha, Carinena, auch ein wenig Cabernet Sauvignan und Syrah. Eine Schatzkammer eigentlich.

Gratallops – 12 Bodegas

Erst die „jungen Wilden“ um René Barbier, Alvarro Palacios und Daphne Glorian sahen das Potential und kauften die ersten Weinberge auf, gründeten eigene Weinkellereien. Eine rentable Idee, schießen heute die Preise für Weinberge durch die Decke. Sie brachten neue Ideen ins Priorat und setzten französisches Weinbauwissen konsequent um. Das Lesegut wird streng selektioniert, nur teilweise entrappt, die Trauben werden heruntergekühlt, die Gärung erfolgt zumeist im Betontank und die Weine reifen anschließend in Barriques aus französischer Eiche. Das Ergebnis sind fruchtbetonte, dichte Hammerweine! Soweit die Theorie, aber die ist ja bekanntlich grau. Ich möchte es genauer wissen.

1999 kaufte das belgische Unternehmerehepaar Vanhoutte das Areal, auf dem 2008 die Bodega errichtet werden sollte, und ausgesuchte Weinberge in der Umgebung. Orientierung gab nichts weniger als Clos Erasmus, die Spitze der Liga, das Beste eben. Und nicht von ungefähr fanden sie in der Nähe, was sie suchten. Alte Grenache-, Cabernet Sauvignan- und Caringnanbestände auf verwitterten  Schiefer, 60 bis 100-jährige Reben. Das beste eben, Geld kauft Weingut, kam es mir in den Sinn. Aber warten wir es ab. Beraten wurden die beiden Weinbegeisterten von Anfang an von Michel Tardieu und Philippe Cambie, keine Unbekannten an der Rhone, Spitzenklasse eben. Ziel war es, in die Spitze der spanischen Weine vorzudringen.

Bodegas Mas Alta

Schon mit der erste Jahrgang 2004 ein Paukenschlag, schlagartig war Mas Alta angesehen, angekommen, noch nicht dabei, aber wahrgenommen.

Ich klopfe bei Mas Alta. Diane Oçafrain öffnet mir. Sie verwaltet mit ihrem Freund das Anwesen. Sie Önologin, jung, Französin und zu meiner Überraschung und Freude spricht sie deutsch. Ich unangemeldet. Kein Problem, im Priorat freut man sich auch heute noch über Gäste. Sie zeigt mir die großen Betonkammern, in denen die Weine den Gärungsprozess durchlaufen, dann den Reifekeller. Und zu meiner Freude zaubert sie zwei Gläser eine Pipette und ein sauberes Tuch aus dem Nichts. Das heißt Fassprobe. Direkt aus dem Barrique, Weine die noch nicht fertig sind. Noch unterwegs, am Werden, bevor sie verschnitten werden. Ich lerne die Unterschiede zwischen Grenache aus Licorella-Lagen und lehmhaltigen Böden. Spannend.

Weinverkostung_bei_Mas_Alta

Der Artigas 2014 besteht aus 50 % Grenache, 35 % Carignan, 10 % Syrah und 5 % Cabernet Sauvignan. In einer typischen Cuvèe im Priorat sind Grenache und Carignan.  Cabernet und Syrah machen ihn noch komplexer. Gefällt mir.

Und es wäre kein Priorat, wenn nicht aus steilen Lagen, 40 % nach Südwest, 20 % nach Südost mit Licorella Böden, 40 % Tallagen mit kalkhaltigen Böden.

Im Glas schimmert ein kräftiges, dunkles Rubinrot. In der Nase rieche ich zum Auftakt Brombeeren, schwarze Johannisbeeren, Lakritz, Lavendel, Nelke, aber auch Rauch. Die 16-monatige Reife in 1 bis 3 Jahre alten französischen Barriques kommen schon zur Geltung.

Am Gaumen erlebe ich neben roten und schwarzen Johannisbeeren, Himbeeren, eine Mineralik aus Grafit und Schiefer, Schokolade, süße Tannine. Der Wein ist mundfüllend mit reifen Früchten, eine dezente Säure begleitet ihn, verspielt, elegant, mit unglaublicher Länge.

Der Wein gefällt mir. Ein vollmundiger, dichter, kraftvoller Wein, strukturiert mit enormer Frische trotz seiner 15,5 % Alkohol, denn die sind gut eingebunden. Die Graduation verrät mir erst der zweite Blick aufs Etikett.

Ein fantastischer Tropfen dazu koche ich ein spanisches Gulasch vom Rind mit einem Tomaten-Paprika-Petersiliensalat. Köstlich.